Traumatische Erfahrungen während unseres Aufwachsens sind eine bedeutende Quelle für Probleme, mit denen wir als Erwachsene konfrontiert sind. Diese Traumata sind in Beziehungen zu anderen Menschen entstanden und so wirken diese später dann, wenn wir mit anderen Menschen zu tun haben.

Wie entsteht Entwicklungstrauma?

Entwicklungstraumata werden von uns selbst oft nicht erkannt, weil die schwierigen Umstände unseres Aufwachsens und die bis heute wirkenden Folgen für uns zur Normalität geworden sind. Dabei sind nicht die alten Erfahrungen das wirkliche Problem, sondern wie diese bis heute unser Leben bestimmen. Besonders entscheidend ist, welche Erfahrungen wir während unserer ersten sieben Lebensjahre gemacht haben. Diese prägen unsere Persönlichkeit und unsere Verhaltensweisen, die Beziehung zu uns selbst und anderen, unsere Sicht auf die Welt, und wie wir mit Situationen und Emotionen umgehen. Je jünger ein Kind ist, umso sensibler ist es und umso tiefgehender sind diese Prägungen. Konnten wir in einem unterstützenden Familiensystem aufwachsen oder ging es uns dort nicht gut?
Ein familiäres Lebensumfeld, in dem es nicht sicher ist und/oder das anhaltend Stress erzeugt, kann traumatisierend wirken. Es hat zur Folge, dass sich das Nervensystem des Kindes permanent in einem aktivierten Zustand befindet und die Grundlinie seines Stresspegels hoch ist. Die Auslöser können zunächst einmal unspektakulär erscheinen, wie z.B. immer wieder klein und lächerlich gemacht oder beschämt zu werden, oder als Kind die Rolle eines Elternteils einnehmen zu müssen. Kinder haben noch nicht den Durchblick, was in der Familie vor sich geht. Sie können eine ungesunde Umgebung nicht einfach verlassen oder sich wehren.
Kinder lernen schnell sich zu verbiegen, und nicht auf ihre Intuition und ihr Herz zu hören. Damit wir gedeihen und unsere Fähigkeiten entwickeln können, sind wir als Kinder auf Erwachsene angewiesen, die uns Schutz und Respekt und eine einfühlsame Begleitung bieten. Dies fehlte in Deutschland über Jahrzehnte, weil Kriegskinder, Kriegsenkel und spätere Generationen immer noch Erziehungsprinzipien aus der Zeit des Nationalsozialismus ausgesetzt waren und Traumatisierungen von einer Generation an die nächste weitergegeben wurden. Kinder erlebten in den Familien Vernachlässigung und Missbrauch, verbale und aggressive Gewalt (auch gegen andere Familienmitglieder), Sucht oder psychische Erkrankungen sowie Trennung der Eltern.

Bindungstrauma und Trauma während der frühkindlichen Entwicklung

In der Zeit nach der Geburt und im ersten Lebensjahr sind wir von unseren Bindungspersonen vollständig abhängig. Neben der Grundversorgung (Nahrung, Körperpflege) sind wir auf diese Menschen zur Stressregulation und Beruhigung angewiesen und ebenso zur Erfüllung emotionaler Grundbedürfnisse. Sicherheit ist ein Erleben, dass wir im Körper empfinden.
Auch wenn wir von Jahr zu Jahr eigenständiger werden, ist es für eine gesunde Entwicklung notwendig, dass diese emotionalen Grundbedürfnisse von außen erfüllt werden.
Zu diesen gehören das Erleben von Geborgenheit und sicherem Halt, von sicherer Nähe mit Körperkontakt und Zärtlichkeit, von Interesse für unsere innere Welt und unsere Gefühle, und getröstet zu werden. Wir brauchen es bedingungslos geliebt zu werden, nicht nur dann, wenn wir uns wunschgemäß verhalten und die Erwartungen anderer erfüllen. Haben wir erlebt, dass einerseits unsere Grenzen respektiert wurden und andererseits durch gesunde Grenzen Gefahren abgewendet wurden, aber auch unser Selbstvertrauen gestärkt wurde?
Wurden diese Bedürfnisse nicht befriedigt, z.B. weil die Mutter dazu nicht in der Lage war oder das Kind von den Eltern getrennt wurde, ist dies eine Quelle für die Entstehung von chronischen Stress- und Traumazuständen. Das sympathische Nervensystem ist auf einem hohen Erregungslevel, auch wenn wir uns heute in einer sicheren Umgebung aufhalten. Uns fehlt es an Resilienz. Wir haben nicht gelernt zu fühlen und, wie wir mit schwierigen Erfahrungen und Gefühlen umgehen und diese „verdauen“ können. Als Erwachsene gehen wir mit uns selbst so um, wie mit uns als Kind umgegangen wurde, indem wir uns kritisieren oder selbst verletzen.

Folgen als Erwachsener

Der erhöhte Basisstresspegel aus der Kindheit ist für den Erwachsenen zur Normalität geworden. Wir haben Schwierigkeiten Stresszustände zu regulieren und in einem entspannten Zustand zu sein. Herausforderungen bringen uns schnell aus dem Toleranzbereich und wir haben eine geringe Resilienz, um mit Stress und Gefühlen umzugehen. Wir haben besonders aktive Antennen um herauszufinden, wie die Stimmung ist und ob es sich für uns gerade sicher anfühlt. Schnell sind wir im Alarmzustand. Dabei kommt es zu Fehlinterpretation von Signalen und Missverständnissen mit anderen Menschen.
Das autonome Nervensystem und kindliche Überlebensstrategien bestimmen das Handeln, das nicht immer zur realen Situation passt. Dazu gehören zum Beispiel Kontrollverhalten oder vermeiden von Situationen.
Unbewusst suchen wir immer wieder das Vertraute, wie Beziehungen, die uns nicht guttun. Einerseits macht das Bekannte weniger Stress und wir haben zu wenig Selbstvertrauen, um uns Neuem zu stellen. Wir fühlen uns oft als Schuldige und leiden unter eingeschränktem Selbstwertgefühl.
Wie ist unsere Beziehung zu Grenzen? Haben wir ein Empfinden für unsere Grenzen und können wir für diese einstehen? Störungen der Körpergrenze können sich körperlich als Immunschwäche oder Autoimmunkrankheit zeigen.
Das ständige Management hoher Stresszustände erschöpft psychisch und körperlich. Es macht bis auf die zelluläre Ebene krank. Wir fühlen uns ohne Energie und Antrieb und können unser Potential nicht ins Leben zu bringen. Wir schalten uns emotional ab. Um all dies auszuhalten, betäuben wir uns mit Alkohol und Drogen.

Therapie von Bindungs- und Entwicklungstrauma

Eine natürliche Fähigkeit zur Heilung existiert auf allen Ebenen in uns und wir können auf diese Selbstheilungskräfte in uns vertrauen. Therapie schafft den Raum, in dem sich diese Kräfte entfalten können.

Ein entscheidender Fortschritt ist es, auslösende Situationen (sogenannte Trigger) zu verstehen sowie immer früher zu erkennen, welche kindlichen Bedürfnisse und unangepassten Verhaltensweisen mit Entwicklungstrauma zu tun haben. Zum Trauma gehörige schwierige Emotionen, Körperempfindungen und Stressreaktionen des Nervensystems können gelöst werden. Dann können an Stelle von kindlichen Überlebensstrategien und Schutzreaktionen solche Verhaltensweisen treten, die für die Situation heute als Erwachsene angemessen sind. Dazu gehört zum Beispiel das Einstehen für unsere Grenzen.

Wenn Sie als Kind keine eigenen Grenzen entwickeln konnten oder Ihre Grenze und Ihr persönlicher Raum missachtet und verletzt wurde, kann Ihre Grenze für Sie fremd sein. Ich begleite ich Sie dabei, die Verbindung zu Ihrer Grenze zu finden und eine gesunde Abgrenzung zu entwickeln.