Unsere Ahnen sind wie ein Wurzelsystem, auf dem unser eigenes Leben gegründet ist. Darin gibt es vererbte Ressourcen und Resilienz, aber auch ungelöstes Trauma. Dieses hinterlässt Abdrücke, die noch Generationen später wirken.
Transgenerationales Trauma
Wir sind mit unseren Vorfahren verbunden
und mit ihren Lebenserfahrungen mit gutem oder schlechten Ausgang . Bei emotional belastenden oder bedrohlichen Erfahrungen gibt es in der Ahnenreihe Menschen, die daraus traumatisiert hervorgegangen sind. Andere konnten Überlebensstrategien erfolgreich umsetzen und haben daraus eine größere Resilienz entwickelt. Die Verbindung mit diesen Vorfahren erleben wir als stärkend.
Generationenübergreifendes Trauma führt dazu, dass nachkommende Generationen unter körperlichen, emotionalen oder psychischen Folgen und Symptomen von ungelösten traumatischen Erfahrungen der Vorfahren leiden. Teilweise wird die Traumatisierung auch so weitergegeben, dass sich diese Erfahrungen wiederholen.
Wie kommt es dazu?
Die Weitergabe an nachfolgende Generationen
Wir wissen heute, dass Traumazustände aber auch Resilienz als Informationen bzw. Veränderungen in den Genen (DNA) und in epigenetischen Faktoren gespeichert sind. Bei der Zeugung werden diese Trauma-assoziierten Informationen über Eizelle und/oder Spermium weitergegeben und zeigen sich beispielsweise bei den Nachfahren in erhöhten Spiegeln von Stresshormonen oder physiologischen Störungen.
Darüber hinaus sind wir mit unseren Vorfahren über ein systemisches Energiefeld verbunden. Unser Körper ist ein Energiefeld. Es reagiert auf andere Felder. Viele Weisheitstraditionen befassen sich mit der Existenz von feinstofflichen Prinzipien und Feldern, wie z.B. die TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) oder Ayurveda oder auch Hildegard von Bingen.
Eltern geben ihr ungelöstes Trauma durch ihr Trauma-geprägtes Verhalten und Handeln direkt an ihre Kinder weiter. Das kann die Weitergabe von Gewalt und Übergriffen sein. Zu den weniger offensichtlichen Einflüssen gehört, dass das Kind in seiner traumatisierten Familie keine sichere und nährende Umgebung für ein gutes Gedeihen und für eine gesunde emotionale und psychische Entwicklung vorfindet. Mehr dazu bei Entwicklungstrauma.
Global gesehen ist transgenerationales Trauma überall bekannt, aber es gibt sicherlich Regionen, in denen dieses in besonderer Ausprägung, Intensität und Häufigkeit existiert. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn transgenerationales Trauma mit kollektivem Trauma verwoben ist, z.B. bei Krieg, Verfolgung, Genozid, in Ländern mit Diktaturen, oder auch nach Naturkatastrophen. Zu diesen Ländern gehört auch Deutschland.
Der Umgang der Deutschen mit ihrer traumatisierenden Vergangenheit
Die schrecklichen Verbrechen von Deutschen, die der 2. Weltkrieg in den besetzten Ländern und das Nazi-Regime durch die Verfolgung von Juden und anderen Gruppen angerichtet hatten, führte über viele Generationen zu ungeheurem Leid und Trauma in der Welt.
Daher dauerte es Jahrzehnte, bis öffentlich ausgesprochen werden konnte, dass es in Deutschland, im Land der „Täter“, nachfolgende Generationen gibt, die ebenso traumatisiert wurden. Diese Menschen haben diese Ereignisse, entweder als Kind noch erlebt, oder sie liegen auch außerhalb ihrer Lebenszeit.
Während die deutschen „Kriegskinder“ (Jahrgänge 1928-1946) kaum nach Hilfe suchten, gibt es in den Generationen der „Kriegsenkel“ (nach 1947) und „Kriegsurenkel“ einige, die diese Traumazustände mit professioneller Hilfe lösen wollen.
Als die traumatisierten Kriegskinder selbst zu Eltern wurden, gingen aus dysfunktionalen aber auch aus „normal“ erscheinenden Familien traumatisierte Kriegsenkel hervor. Teilweise wurden in diesen Elternhäusern immer noch Erziehungsprinzipien aus der NS-Zeit praktiziert. Folglich konnten die Kriegsenkel später nicht immer „gute“ Eltern werden.
Das Schweigen und das Ausblenden der traumatischen Erfahrungen von Krieg, Diktatur, Vertreibung und einer Nachkriegszeit mit großer Not, sowie der Teilung Deutschlands, setzt sich in unserer Gesellschaft weiter fort. Nur wenige Menschen haben einen offenen und bewussten Umgang mit dieser transgenerationalen Traumatisierung.
Erst wenn eine Generation sich dem traumatischen Geschehen stellt und seine Folgen anerkannt werden, kann generationenübergreifendes Trauma gelöst werden.
Auseinandersetzung mit der eigenen transgenerationalen Traumatisierung (in Einzelsitzungen)
Auch generationenübergreifendes Trauma ist ein Zustand im Körper, der jetzt da ist, und demzufolge sind unsere Körperempfindungen das Zugangstor für eine Bearbeitung und Lösung.
Gleichzeitig ist auch Wissen um die Familiengeschichte und den historischen und sozialen Kontext, in den das Leben der Vorfahren eingebettet war, sehr nützlich. Fragen Sie bei den noch lebenden Mitgliedern Ihrer Familie nach, was diese über das Leben ihrer Vorfahren, insbesondere von Eltern, Großeltern und Urgroßeltern wissen.
Wir erforschen, wie sich dieses „Wurzelsystem“ auf Ihr Leben heute auswirkt:
- Welche Verstrickungen sollen aufgelöst werden?
- Welche Ressourcen finde ich bei meinen Ahnen, welche Fähigkeiten und Resilienz haben mir diese weitergegeben?
- Welches Leid und welche Leistungen der Vorfahren brauchen Anerkennung und Würdigung?
In diesem Prozess kann es sein, dass sich völlig neue Einblicke in Ihr Familiensystem ergeben, die von der erzählten Geschichte abweichen.
Transgenerationale Traumalösung wirkt immer in die nachfolgenden Generationen.
Mehr dazu in Büchern und Vorträgen:
Thomas Hübl Podcast Point of Relation (2023) Ancestral Healing: The Gifts and Wounds of Our Ancestors https://pointofrelationpodcast.com/podcast/ancestral-healing-the-gifts-and-wounds-of-our-ancestors/
Valeska Riedel (2017) Auszüge aus dem Vortrag "Vererbte Angst" Youtube-Video über Angst
Sabine Bode (2021) Die vergessene Generation.Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen. Klett-Cotta Verlag
Sabine Bode (2022) Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation. Klett-Cotta Verlag
Sabine Bode (2022) Nachkriegskinder. Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter. Klett-Cotta Verlag
Sabine Bode (2016) Kriegsspuren. Die deutsche Krankheit German Angst. Klett-Cotta Verlag
Luise Reddemann (2018) Kriegskinder und Kriegsenkel in der Psychotherapie. Klett-Cotta Verlag
Thomas Hübl (2021) Kollektives Trauma heilen. Persönliche und globale Krisen verstehen und als Chance nutzen. Irisana Verlag